(Helmut Lehmann, 2009)
S. 489, Darstellung meines Fluchtversuches am 21. August 1968
1. Es stimmt nicht, dass an diesem Tag „die Grenzen der Tschechoslowakei gesichert“ werden mussten. Es stimmt ebenso wenig, dass in Prag an diesem Tag ein Aufstand stattfand.
Ganz im Gegenteil: Das Volk vertraute dem Ersten Sekretär des ZK der KPČ, Alexander Dubček. Er hatte den Reformkurs „Prager Frühling“ eingeleitet.
Diese Reform wurde durch die Invasion der Sowjetunion und der Warschauer-Pakt-Staaten am 21. August 1968 beendet.
2. Der behauptete „finanzielle Schaden“ ist frei erfunden.
Eine Zahlung an die Fluchthelfer nach gelungener Flucht war vereinbart und ist nie erfolgt.
3. Es gab keine „Festnahme eines Schleuserehepaares“ wie in dem Buch behauptet wird. Weder nach zwei Jahren noch sonst irgendwann. Diese Angabe ist erfunden.
Richtig ist, dass die Anfang November verhaftete Schleuserin Angelika B. schon in ihrer ersten Vernehmung am 13. November 1968 der Stasi meinen Namen mitteilte. Nach einer einwöchigen alles andere als professionellen Observation durch die Stasi erfolgte am 21. November 1968 um 6:00 Uhr meine Verhaftung.
4. Ich wurde nicht „zu drei Jahren“, sondern zu drei Jahren und 6 Monaten verurteilt.
Ich wurde nicht „nach zwei Jahren“, sondern nach einem Jahr freigekauft und in die BRD abgeschoben.
Welchen Sinn macht es, andere Zeiten für mein Strafmaß und für meine tatsächliche Haftzeit zu erfinden?
In der Regel wird bei guter Führung nach Verbüßung von 2/3 der Haft der Rest zur Bewährung ausgesetzt. Offensichtlich sollte dieser Eindruck durch die falschen Angaben entstehen, um den Freikauf zu verschleiern.
5. Absurd ist die Behauptung, dass nur 0,06% der Menschen die DDR „gegen Recht und Gesetz“ verlassen wollten. 0,06% von den 16 Millionen DDR-Einwohnern wären 9.600 Personen.
Es wurden jedoch von der BRD 33.755 Personen freigekauft, die „gegen das Gesetz“ aber im Einklang zum Menschenrecht die DDR verlassen wollten. Dafür waren sie in der DDR inhaftiert. Einer davon war ich.
6. Es stimmt nicht, dass ich nach zwei Jahren Haft „nach Westberlin ausreisen“ durfte.
Ich wurde nach Zahlung des üblichen Preises von 70.000 DM bis 100.000 DM pro Person zusammen mit anderen politischen Häftlingen in einem Bus mit verhängten Fenstern über den Kontrollpunkt Bebra/Wartha in die BRD abgeschoben. Zu der Geschichte gehört, dass ich 1967/68 mehrere Ausreiseanträge stellte, die alle abgewiesen wurden.
Es ist richtig, dass meine Eltern in Westberlin auf mich warteten. Es war absehbar, dass sie aus Altersgründen bald die Unterstützung des einzigen Sohnes brauchen würden und ich hatte ihnen versprochen, dass ich kommen würde, wenn es soweit wäre.
Am 14. März 2011 habe ich dem Autor Herrn Helmut Lehmann diese Informationen in einem Brief mitgeteilt.
Der Brief wurde bis heute nicht beantwortet.
© Wolfgang Gericke | Berlin, im August 2012